Einen Freund aus einer längst vergessenen Vergangenheit ausfindig zu machen, kann ein unglaubliches Erlebnis sein. Sie können sich vorstellen, wie es sich anfühlt, einen Freund oder einen Geliebten zu treffen, den Sie vor über 40 Jahren kannten. Es kann ein intensives, überwältigendes Gefühl sein. Sie können darüber nachdenken, wie das Leben Sie in all den Jahren behandelt hat, wie Sie gereift sind und was Sie getan haben. Man kann in Erinnerungen schwelgen an die Zeit, die man zusammen verbracht hat, und daran, wie anders das Leben damals war. Sie können neue Pläne schmieden und in Kontakt bleiben.
Wenn Sie mehr über diese unglaubliche Erfahrung lesen möchten, lesen Sie bitte diese Geschichte von Martine Bernier weiter.
Einen Freund oder eine Freundin nach 3 oder 4 Jahrzehnten wiederfinden, ist eine überwältigende Erfahrung. Und letztendlich komplizierter als man denkt…
Als Teenager in Belgien hatte ich mehrere Freundinnen, aber an einer hing ich besonders. Wir hatten uns bei den Pfadfindern getroffen. Ihr Spitzname war «moustique», d.h. Mücke. Sie war ein paar Jahre älter als ich und gehörte zu den Leitern. Wir waren sehr unterschiedlich, unsere Lebensweise, unsere Persönlichkeiten, unsere Begabungen hatten wenig gemein. Trotzdem entwickelte sich zwischen uns eine wunderbare Freundschaft, die erst einschlief, als ich das Land verliess. Wir haben beide geheiratet, Kinder bekommen und verschiedene Berufe ausgeübt.
Wir haben uns noch einmal kurz gesehen, als sie mit ihrem Mann durch die Schweiz reiste. Dann wirbelte uns das Leben herum, die Jahre vergingen. Mehrmals habe ich erfolglos versucht, sie wiederzufinden.
Ich habe oft an sie gedacht, bis ich eines Tages beschloss, eine Flasche ins Meer zu werfen. Das war vor 2 Jahren. Auf einer Webseite, die aus den Augen verlorene Freunde wieder zusammen bringt, liess ich eine Nachricht. Tage, Wochen und Monate vergingen, ich fand keine Spur von ihr…
Meine Nachricht erreichte sie, rein zufällig, nach 30 Monaten. An einem Augustmorgen 2016, fand ich in meinen Emails eine Nachricht mit der Überschrift «Suchanzeige».
Sie war es wirklich. Sie hatte meine Suchnachricht gefunden. Nur ein paar Zeilen, eine Email-Adresse. Ich antwortete, wir haben wieder Kontakt geknüpft. Sie hatte unsere Freundschaft auch nicht vergessen… Die Zeit ist vergangen, sie ist pensioniert, Grossmutter wie ich und hat ein paar Falten um die Augen. Ich habe mich auch verändert. Eine neue Phase begann in unserer Freundschaft, die eine bedeutende und konstruktive Rolle in meinem Leben spielt. Umso mehr, als dass wir uns 3 Monate später wirklich trafen.
Gestern und heute
1978: An einem Novemberabend verliess ich Belgien, um in die Schweiz zu gehen. Ich war 19 Jahre alt, es war meine dritte Reise. Ich wusste als einzige, dass ich nicht zurückkommen würde. Alle glaubten, ich käme nach 4 Monaten wieder. Ich nahm den Nachtzug und Mücke stand auf dem Bahnsteig.
2016: In den letzten Wochen schrieben wir viel und die Telefondrähte zwischen der Schweiz und Belgien liefen heiss. Wir hätten uns in all den Jahren auseinanderleben können. Stattdessen nahmen wir unsere Gespräche wieder auf, als hätten wir uns erst am Vortag getrennt. Aber dann machten wir ab, ein paar Tage zusammen zu verbringen: 4 Tage nach so langer Zeit, wie würde das gehen?
Achtunddreissig Jahre später, stehe ich, wieder an einem Novemberabend, auf dem Bahnsteig einer kleinen Schweizer Stadt. Ich warte auf sie.
Dieses Mal, nach all den Jahren, in denen wir uns suchten, ohne uns zu finden, würden wir uns tatsächlich wiedersehen. Sie befürchtete, wir würden uns nicht widererkennen. Jedoch… Ich sah sie gleich, die zierliche Gestalt mit dem grossen Koffer. Sie hatte sich nicht verändert, das gleiche Lächeln, das gleiche Lachen. Es war ein sehr emotionaler Moment. Wir fühlten uns in die Vergangenheit zurückversetzt, und dabei fest im Hier und Jetzt verankert. Wir verbrachten diese paar Tage mit Gesprächen, haben uns wiederentdeckt und unser Leben erzählt. Seit dem telefonieren wir miteinander, schreiben. So kam sie zurück in meine Existenz, auf andere Weise, wie ein fehlendes Puzzleteil. Unsere Persönlichkeit, unser Charakter haben sich entwickelt, wir sind reifer geworden, haben uns in unterschiedlichen Bereichen verwirklicht, bewegen uns in verschiedenen Sphären.
Wenn ich an die Teenagerzeit zurückdenke, merke ich, wie sehr wir uns beide verändert haben. Unsere Freundschaft baut auf neuen Fundamenten auf, führt sich nicht einfach weiter, würdigt, was die Andere geworden ist, das Erlebte, unsere Verletzbarkeit, unsere Gewissheiten. Wir lernen uns neu kennen. Welch ein schönes Abenteuer…
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