Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Sie sind sogar die häufigste Todesursache in der ganzen Welt. In der heutigen Welt wird es immer schwieriger, schädlichen Substanzen zu widerstehen, z. B. Zigaretten, bestimmten Lebensmitteln, Getränken und vielen, vielen anderen. Es war noch nie so einfach, unsere Gesundheit zu schädigen, und die Risikofaktoren waren noch nie so zahlreich. Zum Glück gibt es auch Fortschritte in der Medizin und Technologie, die uns bei der Bekämpfung helfen. Koronarangiographie und Koronarangioplastie sind Verfahren, von denen man vor 100 Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Möchten Sie mehr darüber erfahren? Lesen Sie weiter im Artikel von Dr. Stéphane Mock.
Kardiovaskuläre Krankheiten sind die weltweit häufigste Todesursache und stellen somit ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit dar. Man schätzt die Zahl der Todesfälle in Folge einer ischämischen Herzkrankheit aktuell auf 7 Millionen. Rund 6 Millionen Menschen sterben Schätzungen zufolge an einem Schlaganfall oder einer anderen zerebrovaskulären Erkrankung. 2010 sind in der Schweiz 22’000 Menschen an einer kardiovaskulären Erkrankung gestorben. Bei 18’000 Todesfällen war zwar eine andere Erkrankung die Hauptursache, eine kardiovaskuläre Erkrankung hat jedoch zum Tod beigetragen. Kardiovaskuläre Krankheiten betreffen das gesamte Arteriensystem. Wenn die Herzkranzgefässe (Koronargefässe) und die Hirngefässe betroffen sind, besteht Lebensgefahr.
ALS ERSTES EINE GUTE NACHRICHT: IN DER SCHWEIZ SIND DIE TODESFÄLLE AUFGRUND VON KARDIOVASKULÄREN KRANKHEITEN RÜCKLÄUFIG.
Die Information der Bevölkerung über die ersten Anzeichen eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls (Gehirnschlag) oder einer Gangrän (akute Ischämie der unteren Gliedmassen) hat wesentlich zum Rückgang der kardiovaskulären Sterblichkeit beigetragen. Auch das Rauchverbot an öffentlichen Orten in der Schweiz und anderen Ländern weltweit scheint seinen Beitrag zum Rückgang der kardiovaskulären Sterblichkeit geleistet zu haben. Individuell muss bei der Prävention jedoch noch mehr getan werden, und das gilt für alle Altersgruppen. Die Verbesserung des Lebenswandels im Hinblick auf die Ernährung, aber auch regelmässige Bewegung sind wichtig. Es genügt nicht, eine Tablette gegen erhöhte Cholesterinwerte, Diabetes oder Bluthochdruck zu schlucken, um Atherosklerose (pathologischer Prozess der kardiovaskulären Erkrankung) zu verhindern. Der Lebenswandel trägt ebenfalls aktiv zur Prävention bei. Auf therapeutischer Ebene wurden in den vergangenen 10 Jahren signifikante Fortschritte erzielt. Diese Fortschritte umfassen die medizinische Behandlung, die so früh wie möglich begonnen werden muss, aber auch einen technischen medizinischen Eingriff namens Koronarangioplastie, der das Überleben des Patienten sicherstellen kann.
Welche Symptome kündigen einen Verschluss der Herzkranzgefässe an und was ist zu tun?
Es ist wesentlich, die Warnsymptome der Erkrankung zu erkennen und bei längeren Schmerzen im Brustkorb aufgrund der Lebensbedrohlichkeit schnell zu handeln. Typischerweise werden von den Herzkranzgefässen ausgelöste Schmerzen als retrosternales Drücken (hinter dem Brustbein) beschrieben, verbunden mit klemmenden oder beengenden Schmerzen (Schraubstock-Symptom). Manchmal strahlen die Schmerzen in den linken Arm oder den Unterkiefer aus. Der Schmerz kann aber auch atypisch sein und in den Schultern oder im Rücken verspürt werden. Manchmal kann er auch in den rechten Arm ausstrahlen oder die Warnsymptome können sich einfach nur durch Atemnot bei ungewohnter Anstrengung ausdrücken. Die Schmerzen treten meist bei körperlicher Anstrengung auf und verschwinden nach dieser wieder. Sie können aber auch spontan auftreten, ohne besondere auslösende Umstände. Wenn der Schmerz länger als 10 – 15 Minuten andauert, sollte der Notruf 114 gewählt werden, um das schnelle Eingreifen eines medizinischen Teams zu ermöglichen. Wenn die Symptome nach der körperlichen Anstrengung wieder verschwinden, sollte schnell der Hausarzt oder direkt ein Kardiologe aufgesucht werden, falls eine Vorgeschichte vorhanden ist. Sofern keine Allergie vorliegt, kann Aspirin (500 mg) in manchen Fällen die Durchblutung der Arterie wiederherstellen. Daher empfiehlt sich die schnelle Einnahme von Aspirin, bis die Rettungskräfte eintreffen oder der Rat des Arztes eingeholt werden kann.
Die Voruntersuchung: die Koronarangiographie
Die Koronarangiographie ermöglicht es, das gesamte Netz der Herzkranzgefässe (Herzarterien) abzubilden. Die Arterien werden mit einem jodhaltigen, strahlenundurchlässigen Kontrastmittel verdunkelt, das mit einem Führungskatheter direkt in die Koronararterien injiziert wird. Mit Röntgenaufnahmen werden die Herzarterien sofort und dynamisch abgebildet. Der Kardiologe macht mehrere Aufnahmen und kann so erkennen, ob arterielle Läsionen vorhanden sind. (Die Röntgenröhre bewegt sich um den Patienten herum, um die Arterien aus verschiedenen Blickwinkeln abzubilden.)
Wie geht man vor und über welchen Zugang?
Das Verfahren beginnt mit einer arteriellen Punktion, die mithilfe einer feinen Nadel vorgenommen wird, um einen flexiblen Führungsdraht zu legen, über den eine Einführungsvorrichtung geschoben wird. Über die Einführungsvorrichtung wird dann ein Führungskatheter (langer flexibler Schlauch) eingeschoben, der von der punktierten Arterie zu den Koronararterien geleitet wird. Die erste Injektion in die Koronararterien wurde 1962 durchgeführt. Lange Zeit erfolgte die Punktion femural (über den Oberschenkel, Punktion auf Leistenhöhe) oder brachial (über der Armbeuge). 1989 haben kanadische Mediziner bewiesen, dass die Koronarangiographie auf radialem Wege (über das Handgelenk) eine gute Alternative zu den anderen Zugangspunkten ist. Im Anschluss haben Studien belegt, dass Angioplastien auf radialem Wege weniger Komplikationen an der Punktionsstelle verursachen.
Was ist die Koronarangioplastie?
Die Koronarangioplastie wurde 1977 erstmals am Menschen durchgeführt und ermöglicht es, eine verengte Arterie bei Angina Pectoris wieder zu erweitern oder eine verstopfte Arterie bei einem Herzinfarkt wieder zu öffnen. Mithilfe der Koronarangiographie können kranke Arterien entdeckt werden und mit der Koronarangioplastie werden sie repariert. Die Arterie kann sofort repariert werden, manchmal ist jedoch eine Bedenkzeit erforderlich, falls komplexe Läsionen den Einsatz spezieller Techniken erfordern. Manchmal muss der Eingriff verschoben werden, wenn erst eine dringendere Operation durchgeführt werden muss, da das Leben des Patienten gefährdet ist (zum Beispiel, wenn eine Aortaklappe verengt ist oder ein Aortenaneurysma oder ein bösartiger Tumor vorliegt etc.). Ist die Koronarangiographie sofort durchführbar, so kann sie ambulant erfolgen. Bei technischen Schwierigkeiten während des Eingriffs oder Komplikationen an der Punktionsstelle ist eine 24-stündige Beobachtung im Krankenhaus erforderlich.
A. Injektion einer rechten Koronararterie mithilfe eines Katheters (1), der in das Ostium der Koronararterie eingeführt wird. Arterielle Verengung (2), die für eine Angina Pectoris verantwortlich ist.
B. Katheter im Ostium der Koronararterie (1). Ein Führungskatheter (3) wird in die rechte Koronararterie eingeführt. Über diesen wird ein Stent eingebracht, den man an den zwei Markierungen an den Enden erkennt (2).
C. Aufblasen des Ballons, um den Stent zu entfalten, den man zwischen den zwei strahlenundurchlässigen Markierungen sieht.
D. Die rechte Koronararterie vor der Koronarangioplastie links und nach einer Koronarangioplastie mit Stent-Implantat rechts.
Was ist ein Stent?
Stents sind endovaskuläre Prothesen, die eingesetzt werden, damit sich durch Ballondilatation erweiterte Arterien nicht wieder verschliessen. Diese Prothesen wurden beim Menschen in Frankreich und in der Schweiz erstmals 1985 eingesetzt. Sehr häufig ist eine Koronarangioplastie mit einem Ballon nicht ausreichend, weil sofort eine Dissektion oder ein «recoil» der Ablagerungen eintritt, oder weil eine Restenose (Entzündungsmechanismus, der zur Verbreitung der endothelialen Zellen führt) in über 50 % der Fälle verspätet auftritt. In diesen Fällen verhindern Stents, das sich die Arterie wieder verschliesst. Seit 1985 wurden mehrere Generationen von Stents entwickelt: unbeschichtete Stents (Chrom-Kobalt-Legierung, Nitinol), Stents mit Wirkstoffen (mit einem Polymer beschichtet, das ein Medikament zur Reduzierung der Restenose enthält) und vor kurzem auch selbstauflösende Bio-Stents. Es gibt ausserdem einen Zwischenweg mit aktiven Ballons, um Intrastent-Restenosen zu behandeln und eine Medikamentenschicht auf die endotheliale Gefässwand aufzubringen, die das Rezidivrisiko für die Stenose verringert.
In jedem Fall ist eine spezifische Behandlung erforderlich, um eine Arterienthrombose und einen akuten Gefässverschluss zu verhindern. Aspirin (Acetylsalicylsäure) muss ein Leben lang eingenommen werden und je nach verwendetem Stent mit einem anderen Thrombozytenaggregationshemmer kombiniert werden. Die Dauer der kombinierten Einnahme hängt von der klinischen Präsentation und von der Art des verwendeten Stents ab. Aktuell gibt es mehrere Moleküle und bald werden weitere auf den Markt kommen. Am geläufigsten sind Plavix (Clopidogrel), Efient (Prasugrel) und Brilique (Ticagrelor).
Welche Risiken sind mit einer Koronarangioplastie verbunden?
Wie bei jedem operativen Eingriff besteht das Risiko von Zwischenfällen oder Unfällen, trotz des technischen Fortschritts beim Material (Katheter, Ballons und Stents) und der Erfahrung des Kardiologen. Meistens handelt es sich um eine Allergie gegen jodhaltige Kontrastmittel und Komplikationen, die von den Antikoagulantien an der Punktionsstelle ausgelöst werden. Die Erweiterung der Koronararterien kann je nach Situation ausserdem eine Thrombose oder eine Dissektion verursachen, ausgelöst von einer darunterliegenden kranken Arterie. Diese Komplikationen müssen sofort behandelt werden.
Welche Vorteile sind zu erwarten?
Eine Koronarangioplastie verbessert die Myokardialperfusion und somit in erster Linie die Lebensqualität des Patienten, da die Anzahl der Angina Pectoris-Anfälle und ihre Dauer abnimmt. Wenn eine Dreigefässerkrankung vorliegt, der gemeinsame linke Stamm betroffen ist oder die hintere proximale inter-ventrikulare Arterie mit einer Veränderung der Herzfunktion, verbessert die Koronarangioplastie die Lebenserwartung.
Wie kann man Erkrankungen der Herzkranzgefässe stabilisieren und Rezidiven vorbeugen?
Die Koronarangioplastie alleine reicht nicht aus. Neben der vollständigen Einhaltung der Therapie muss der Patient ausserdem aktiv die verordneten Massnahmen für seinen Lebenswandel und seine Ernährung umsetzen. Prävention bleibt auch weiterhin die beste Strategie: Rauchstopp, regelmässige Bewegung (3 x wöchentlich 1 Stunde), Kontrolle und gegebenenfalls Behandlung der Risikofaktoren (Diabetes, Bluthochdruck, Cholesterin).
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