Die weltweite Ausbreitung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und seine teilweise katastrophalen Folgen für den Gesundheitszustand eines Teils der Bevölkerung wecken natürlich großes Interesse an Möglichkeiten, diesen Erreger besser zu bekämpfen, und zwar durch die Stärkung unserer Immunabwehr.
Was ist das Immunsystem und wie funktioniert es?
Unser Immunsystem ist ein komplexes, interaktives System von Zellen, Geweben und Organen, das den Körper gegen fremde oder abnormale Elemente wie Bakterien, Viren, Krebszellen, veränderte Moleküle usw. verteidigt.
Das erste Funktionsprinzip des Immunsystems ist die Unterscheidung zwischen «Selbst» und «Nichtselbst».
Das Selbst ist die Gesamtheit der Moleküle und Zellen, aus denen der Körper besteht oder die sein ordnungsgemäßes Funktionieren ermöglichen. Das Nichtselbst sind dagegen alle Moleküle, Zellen und Organismen, die von außen kommen (Viren, Bakterien, Parasiten, Transplantate, bestimmte Gifte). Aber auch Moleküle und Zellen, die zum Organismus gehören, können als «fremd» betrachtet werden, weil sie Veränderungen erfahren haben, die dazu führen, dass sie nicht mehr als zum eigenen Organismus gehörig erkannt werden.
Für das Immunsystem umfasst das Nichtselbst also sowohl Moleküle und Organismen externen Ursprungs (potenziell gefährlich oder nicht) als auch internen Ursprungs (z. B. durch bestimmte biochemische Prozesse veränderte Moleküle oder Krebszellen).
Es ist anpassungsfähig und weist eine große Plastizität auf. Es entwickelt sich durch den Kontakt mit Mikroben oder körperfremden Substanzen.
Wenn das Immunsystem fälschlicherweise gesunde Zellen oder Gewebe im Körper angreift, kann dies zu Autoimmunkrankheiten führen. Das Immunsystem ist auch für das Phänomen der Transplantatabstoßung verantwortlich.
Die Aktivierung der Mechanismen des Immunsystems angesichts der Erkennung des Nichtselbst wird als Immunantwort bezeichnet. Das Immunsystem setzt dann zwei Arten von Abwehrmechanismen in Gang: Die angeborene, unspezifische Reaktion auf einen bestimmten Fremdkörper und die adaptive, spezifische Reaktion mit einem Gedächtnis.
Die angeborene Reaktion setzt schnell ein und ist die erste Verteidigungslinie gegen einen Angreifer.
Dadurch kann das adaptive System aktiviert werden, das zwar langsamer ist, aber über leistungsfähigere und spezifischere Waffen zur Neutralisierung des Erregers verfügt.
Zur adaptiven Reaktion gehört auch ein immunologisches Gedächtnis. Für eine gewisse Zeit bewahrt es die Erinnerung an frühere Kämpfe mit Krankheitserregern. Bestimmte Zellen, die so genannten «Gedächtniszellen», ermöglichen eine schnellere und wirksamere Immunantwort.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems ab: Dies wird als Immunoseneszenz bezeichnet
Die Immunoseneszenz erklärt zum Teil die größere Anfälligkeit älterer Menschen für viele Infektionen und Epidemien.
Die Alterung des Immunsystems trägt nicht nur zum vermehrten Auftreten von Infektionskrankheiten und zur verminderten Qualität der Impfstoffreaktion bei, sondern auch zum vermehrten Auftreten von Autoimmunkrankheiten, Krebs, Osteoporose, bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen, Diabetes und Arteriosklerose im Alter.
Die Immunoseneszenz beeinträchtigt in unterschiedlichem Masse sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunität. Sie ist gekennzeichnet durch eine drastische Einschränkung des Antigenrepertoires (Vielfalt der für einen Erreger spezifischen Zellrezeptoren), eine Verringerung der Zahl der Immunzellen, die durch die Erkennung eines fremden Elements aktiviert werden, und durch eine langsamere Reaktion. Es kommt auch zu einem Abbau des «Gedächtnisses» der Zellen. Darüber hinaus scheint es eine ständige basale Aktivierung des Immunsystems durch Zelltrümmer und veränderte Moleküle zu geben, die während des Alterns ständig in unserem Körper entstehen. Diese Aktivierung ist verantwortlich für chronische Entzündungen (Inflammaging) und die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen.
Die Immunoseneszenz wird durch verschiedene Krankheiten und äußere Verhaltensfaktoren wie Rauchen, Eiweiß- und Vitaminmangel in der Ernährung verstärkt.
Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Anstieg der Lebenserwartung stellt die Immunoseneszenz ein besonderes Problem für die öffentliche Gesundheit dar.
Gibt es eine «Zauberpille», die die Wirksamkeit unseres Immunsystems erhöhen kann?
Obwohl mehrere Mikronährstoffe (Vitamine A, C, D, E, B2, B6, B12, Folsäure, Eisen, Selen und Zink) für die Entwicklung einer wirksamen und angemessenen Immunantwort unerlässlich sind, reicht keines dieser Elemente allein aus, um eine Superimmunität zu gewährleisten. Vitamin D und Zink stechen jedoch aus dem einfachen Grund hervor, dass ihr Mangel sehr häufig ist und offenbar einen tiefgreifenden Einfluss auf die Qualität der Immunantwort hat. Es erscheint daher sinnvoll, insbesondere bei älteren Menschen eine Blutuntersuchung auf diese beiden Elemente durchzuführen und bei einem nachgewiesenen Mangel eine Supplementierung vorzuschlagen. Im Übrigen sollte eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung eine ausreichende Versorgung mit den anderen Mikronährstoffen gewährleisten. Die verschiedenen «Immunstimulanzien», die in den sozialen Medien vorgeschlagen werden, haben keine wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung.
Kann unser Lebensstil die Funktion unseres Immunsystems beeinflussen?
Die Qualität und Dauer des Schlafs beeinflusst zahlreiche immunologische Parameter. Eine Schlafdauer von 6 bis 7 Stunden scheint für eine optimale Immunfunktion ausreichend zu sein und führt zu einem geringeren Infektionsrisiko, einer schnelleren Heilung und einer verbesserten Antikörperproduktion als Reaktion auf eine Impfung. Umgekehrt begünstigt chronischer Schlafmangel den Ausbruch von Krankheiten mit einer entzündlichen Komponente, wie Diabetes, Atherosklerose und neurodegenerative Erkrankungen.
Zahlreiche Studien haben die positive Wirkung von regelmäßiger, kurzzeitiger Bewegung (45 Minuten) auf die Immunfunktion, insbesondere bei älteren Menschen, nachgewiesen. Umgekehrt scheint es so zu sein, dass intensive und langfristige körperliche Aktivität, wie sie von Spitzensportlern ausgeübt wird, die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen und das Infektionsrisiko erhöhen kann.
Auch psychischer Stress kann die Funktion unseres Immunsystems durch die Freisetzung von neuroendokrinen Hormonen, die vom Nervensystem produziert werden, erheblich verändern. Wie bei körperlicher Betätigung ist kurzfristiger Stress ein grundlegender Überlebensmechanismus, der positive Auswirkungen hat, indem er unseren Körper auf die Herausforderungen vorbereitet, denen er sich stellen muss. Andererseits geht ein Zustand chronischen Stresses mit einer Immunsuppression einher, die langfristig das Auftreten von Entzündungs-, Autoimmun- und/oder Krebserkrankungen begünstigen kann.
Zusammenfassung
Es gibt kein Wundermittel, das unsere Immunabwehr stärken kann.
Andererseits reicht eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung im Allgemeinen aus, um die für das optimale Funktionieren unseres Immunsystems erforderlichen Mikronährstoffe zu liefern.
Ausreichend Schlaf, regelmäßige körperliche Betätigung und eine gute Stressbewältigung wirken sich nachweislich positiv auf die Qualität und Wirksamkeit unseres Abwehrsystems gegen Krankheitserreger aus.
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